Auszug aus: Dr. B. Bandelier und Dr. O. Roepke, Die Klinik der Tuberkulose, Würzburg 1911
Die Tuberkulose ist in der Erscheinungsform der chronischen Lungenschwindsucht schon im Altertum eine wohlbekannte und wahrscheinlich recht verbreitete Krankheit. Die anschauliche Schilderung, die Hippokrates 400 Jahre v. Chr. von ihr entwirft, wird nur wenig vervollkommnet durch Celsus, Aretaeus und Galen.
Weitere Fortschritte in der Erkenntnis des Wesens der Krankheit sehen wir erst im 17. Jahrhundert.
Sylvius ist der erste, der die Knoten in den Lungen mit der Phthise in Zusammenhang bringt; er hält sie für vergrösserte Lymphdrüsen, eine Deutung, die Morgagni und Baillie ablehnen.
Bayle erkennt in dem nach ihm benannten Miliartuberkel die anatomische Grundlage der Tuberkulose als einer Allgemeinerkrankung.
Von den verschiedenen Formen der Lungenphthisen Bayles scheidet Laennec die nicht auf Tuberkeln beruhenden Prozesse der Gangrän. des Krebses ect. aus und wird so der Begründer der Unitätslehre.
Die Auffassung des Tuberkels als einer Neubildung behält Geltung gegenüber den Lehren von Broussais und Andral, die ihn als das Produkt einer Entzündung auffassen.
Virchow trennt die käsige Pneumonie von den durch Tuberkel charakteristischen Prozessen und vertritt damit die Dualitätslehre, der erst die Entdeckung des Tuberkelbazillus durch Robert Koch im Jahre 1882 ein Ende bereitet.
Schon früh taucht die Auffassung von der Übertragbarkeit der Phthise auf. Es wird berichtet, dass die Träger zweier bekannter Namen, Valsalva und Morgagni, sich scheuten, phthisische Leichen zu sezieren. Laennec will sich selbst durch Verletzung bei einer Sektion phthisisch infiziert haben.
Die Überzeugung von der Ansteckungsfähigkeit der Schwindsucht und die Schutzbestrebungen gegen die Weiterverbreitung finden z.B. in Italien Ende des 18. Jahrhunderts ihren Ausdruck in dem Gesetz, dass die von Schwindsüchtigen benutzten Kleider und Betten nach ihrem Tode zu verbrennen seien.
Der erste dem es gelang, durch Überimpfung von Tuberkelgewebe bei einem Kaninchen künstlich Tuberkulose hervorzurufen, ist Klencke.
Auf Grund breiter angelegter Tierexperimente bewies Villemin die Infektiosität durch Verimpfung von Tuberkeln, verkästem Gewebe und Sputum von Phthisikern, sowie tuberkulösem Material einer perlsüchtigen Kuh. Er konnte jedoch keine allgemeine Anerkennung finden.
Robert Koch blieb es vorbehalten, in allen tuberkulösen Gewebsveränderungen und Produkten - und ausschliesslich in diesen - ein charakteristisches Stäbchen nachzuweisen, es auf künstlichen Nährboden in Reinkultur zu züchten und durch Überimpfung der Kultur auf Versuchstiere typische Tuberkulose zu erzeugen, in deren Gewebe wiederum das gleiche Stäbchen gefunden wurde.
Durch diese Entdeckung des Tuberkelbazillus war die Frage der Ätiologie der Tuberkulose gelöst.
: Dr. B. Bandelier und Dr. O. Roepke, Die Klinik der Tuberkulose. Handbuch der gesamten Tuberkulose für Ärzte und Studierende , Würzburg 1911