Systematisch-Alphabetisches Repertorium der Antipsorischen Arzneien

Vorerinnerung zur ersten Auflage

Dr. jur. Clemens von Bönninghausen

Wenn es zuweilen bei akuten Krankheiten dem homöopathischen Arzte nicht leicht wird, etwa wegen unzureichender oder zu wenig charakteristischer Symptome das passendste Heilmittel sogleich mit Sicherheit zu erkennen: so trifft dieses noch weit häufiger bei der unzähligen Menge chronischer Leiden *) unter denen ein so großer Teil der Menschheit bisher hilflos seufzte.


*) Unter akuten Krankheiten verstehe ich selbstredend, der Lehre der Homöopathik gemäß, nur diejenigen, welche einen zeitlichen Verlauf haben, binnen welchem sie, auch ohne Arznei, durch allmähliges Verschwinden ihrer sämmtlichen Symptome, ihr Ende erreichen, wenn nicht früher etwa die Lebenskraft erlag und der Tod erfolgte.
Im Gegensatze zu diesen sind mithin die chronischen Krankheiten alle diejenigen, welche niemals, sobald sie einmal erwacht waren, ohne heilende Arznei und ohne von selbst aufzuhören, den Leidenden bis zum Tode begleiten, und wohl ihre Form, aber niemals ihr Wesen ändern.
Bleiben von Ersteren sogenannte Nachkrankheiten zurück, so sind sie in seltneren Fällen entweder Folgen übermäßiger und unpassender Arzneigaben, oder weit häufiger gehören sie den Letzteren an, indem das chronische Siechtum durch jene geweckt ward, und können dann nur durch die hier angezeigten Mittel dauerhaft gehoben werden.
-- Hiernach lässt sich beiläufig ermessen, was leichter zu heilen sei, eine akute oder aber eine chronische Krankheit, und was man davon zu halten habe, wenn einige Ärzte diese letzten, nachdem alle Proben und Versuche gescheitert sind, der Homöopathie überweisen wollen, unter dem dreisten Vorgeben, dass sie für akute Leiden nicht angemessen oder gar gefährlich sei. Wem fällt da nicht unwillkürlich das bekannte: "Calumniari audacter, semper aliquid haeret!" ein.


Hier ist es nämlich nicht allein die oftmals sehr geringe Anzahl oder die nichts näher bezeichnende Allgemeinheit der Krankheitserscheinungen, welche die Wahl erschweren, sondern außerdem und besonders auch noch die große Ähnlichkeit, welche die hier am gewöhnlichsten zur Auswahl kommenden antipsorischen Arzneien in ihren reinen Wirkungen auf den gesunden menschlichen Körper zeigen.

Jeder Homöopath hat ohne Zweiel ähnliche Erfahrungen gemacht, und sich nicht selten in dem Falle befunden, in mehren verglichenen antipsorischen Arzneimitteln Materialien zu einem Krankheitsbilde anzutreffen, welches dem seines Patienten ziemlich entsprechend war, während doch nur eins derselben das hilfreichste sein konnte, und die meisten übrigen ohne erwünschten Erfolg bleiben mussten.

Solche Schwierigkeiten, welche bei Behandlung chronischer Kranken auf homöopathischem Wege nur zu oft vorkommen, und zur gewöhnlichen Klage der angehenden Homöopathen gehören, veranlassten mich schon gleich beim Beginne meines Studiums dieser trefflichen und sich täglich mehr bewährenden Heilmethode, auf Vorrichtungen zu sinnen, welche die Wahl des passendsten Heilmittels erleichtern und sichern, und zu dem Ende die Symptome eines jeden derselben deutlicher und übersichtlicher vor Augen bringen konnten.

In dieser Absicht wurden mehre, teils kleinere, teils umfassendere Arbeiten vergleichender und zusammenstellender Art unternommen, zu denen, außer der schon herausgegebenen, auch diejenige gehört, welche ich hiermit den Freunden der naturgesetzlichen Heillehre überliefere.

Als darauf die systematischen Darstellungen der Doktoren Hartlaub und Trinks und des Hofraths Dr. Weber erschienen, glaubte ich mein Manuscript bei Seite legen zu können.
Aber obwohl ich zu beiden, des leichten Auffindens wegen, alphabetische Inhaltsverzeichnisse angefertigt hatte, fand ich dennoch mein kleines Repertorium in mancherlei Hinsicht so bequem zum Gebrauche, dass ich es wieder hervorsuchte, die inmittelst im vierten Bande des Werkes über die chronischen Krankheiten angeführten Heilmittel nachtrug, und es auch da noch bewährt fand, als die systematische Darstellung des Dr. Rückert erschienen war.

Eben so fanden meine näheren homöopathischen Freunde, welche es sahen, und wovon einige Abschriften davon besaßen, dasselbe so zweckmäßig, dass sie nur in zweifelhaften Fällen zu den Quellen ihre Zuflucht zu nehmen brauchten, und mich wiederholt und dringend aufforderten, dieses Werkchen durch den Druck gemeinnütziger zu machen.

Dieses veranlasste eine fast gänzliche Überarbeitung, wobei ich bemüht war, außerdem solche Verbesserungen anzubringen, als sich während eines ununterbrochenen dreijährigen Gebrauchs zweckmäßig und nützlich ergeben hatten; -- ein mühsames und zeitraubendens Geschäft, wozu ich vermöge meiner amtlichen Stellung nur die in den Wintermonaten häufiger vorkommende Muße verwenden konnte.

(...)

In sehr vielen, ja in den meisten Fällen deutlich entwickelter Psora konnte ich mit alleiniger Hülfe diefes Repertoriums in kurzer Zeit das passendste Heilmittel mit Zuverlässigkeit auffinden. Aber auch da, wo dieses nicht mit genügender Sicherheit geschehen konnte, sondern einzelne Symptome an den Quellen verglichen werden mußten, gewährte es doch stets eine ungemeine Erleichterung, wenn zuvörderst die Zahl der zur Auswahl kommenden Arzneimittel bis auf einige wenige vermindert war.

(...)

 

Quelle: Dr. jur. C. v. Bönninghausen, Systematisch-Alphabetisches Repertorium der Antipsorischen Arzneien mit Einschluß der antisyphilitischen und antisykotischen, nebst einem Vorworte des Herrn Hofraths Dr. S. Hahnemann über die Wiederholung eines homöopathischen Arzneimittels, Münster, 1833, zweite vermehrte Auflage

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